Der Kirchentag 2015 in Stuttgart geht heute mit dem Schlussgottesdienst zu Ende. Die zurückliegenden Tagen waren für uns Klasse: interessante und gute bis sehr gute Veranstaltungen, beste Gastfreundschaft, überzeugende Gasthäuser, funktionierender Nahverkehr, informierte und freundliche Helfer, Konzentration vieler Veranstaltungen in der Zeltstadt, eine Klasse Konzertkirche und viele einladende Parks und Plätze mit vielfältigen Bühnenprogrammen, gute Proben, hervorragende Workshops und Auftritte, geniale Wortbeiträge sowie vieles mehr, was man zurück mit in den Alltag nehmen kann.
Leider konnte der Schlussgottesdienst das Niveau der vorangegangenen Tage nicht annährend halten – Schade.
Schlussgottesdienst Kirchentag 2015,
Stuttgart auf den Cannstatter Wasen
Der Cannstatter Wasen ist ein 35 Hektar großes meist flaches und unwirtliches Festgelände. Nur Beton und Schotter, nur ein einsamer Baum. Hier kann wie befürchtet keine Stimmung aufkommen.
Dazu kommen weitere vermeidbare Unzulänglichkeiten, die mich stören:
Der dirigierende Landesposaunenwart konnte in der Probe vor der Einstimmung mit seinem Spielzeug-Megafon keinen Kontakt zu den 4.000 Bläsern herstellen. Selbst in den ersten Reihen gelang die Kommunikation nur sehr schlecht. Nach dem Prinzip „Stille Post“ werden die undeutlichen Infos nach Hinten weiter gebrüllt. Die einige Tage vorher in der Zelthalle der Kirchenmusik stattgefundene Probe war dagegen sehr gut und dann heute morgen dieses Desaster. – Frustrierend.
Ein ganzheitliches musikalisches Konzept, das sich wie ein roter Faden durch den Gottesdienst zieht. – Eigentlich eine sehr gute Idee. Allerdings, wenn dafür einen Klavierspieler ausgewählt wird, der keine praktikablen und robusten Bläsersätze für 4.000 Bläser schreiben kann, Tonhöhen und Intervalle den Tenören zumutet, die die meisten anwesenden Laienbläser nicht hinkriegen, vielfache Tonartenwechsel in die Stücke knallt und glaubt, dass das gut geht, wenn dies von 2.500 Bläser zwar geprobt aber jetzt 4.000 Bläser anwesend sind, der hat dafür seine Quittung heute Morgen akustisch bekommen. Bei den teilweise stark erhöhten Tempi einzelner Stücke zeigten wir Bläser uns zwar flexibel, waren aber für mich mehr als nur daneben. Oder stecken etwa da ganz andere Ziele hinter? Diesmal waren 25% weniger Bläser da als auf den vergangenen Kirchentagen. Darüber sollte man/frau mal nachdenken.
Wer außerdem meint mit 90.000 Gemeindegliedern mehrere vierstimmige Sätze während der Live-Übertragung singen zu können, der hat für mich keine Bodenhaftung und opfert die gute Stimmung eines Schlussgottesdienstes den eigenen Eitelkeiten.
Am Vorlauf stört mich besonders: die Moderatorin die Ihren Text nicht drauf hat und selbst einige Ihre Fragen und Statements nur mühselig ablesen kann. Gäste auf der „Couch“, die bis auf ein, zwei Ausnahmen nichts zu sagen haben, sollte man/frau lieber nicht einladen. Gefallen hat mir am Vorlauf die Musik auf der Bühne, die Projektband und der junge Chor, denn die haben aus meiner Sicht außerordentlich Solides und gut Eingeübtes oft perfekt abgeliefert.
Leider ging’s im Hauptteil mit einem Liturg mit brüchiger Stimme und einer langweiligen Predigt weiter. Zwar wurde brav auf das eine oder andere gesellschaftliche Problem mit political correctness hingewiesen, so der Appell für mehr Flüchtlingshilfe und Mitmenschlichkeit – aber mir war das zu weich gespült. Der Applaus der Gottesdientbesucher ist entsprechend der Predigt demzufolge flach und die Stimmung noch flacher. Erst bei dem Dank an Helfer usw. wird der Applaus stärker. Das sollte uns zu Denken geben. Das ändert sich auch nicht bei den weiteren für mich charismalosen Rednern und Rednerinnen.
Der Schlussgottesdienst war für mich bei vielen Kirchentagen ein inspirierender Abschluss erfüllter Tage. Leider hat’s dieses mal damit nicht geklappt. Das kann allerdings die vorangegangenen positiven Erfahrungen und Erkenntnisse dieser Tage nicht wirklich schmälern. Trotzdem Schade, Schade …
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